Die Weltgesundheitsorganisation hat entschieden: zum 1.1.2022 wurde die narzisstische Persönlichkeitsstörung aus dem Diagnosehandbuch verbannt. Unter anderem auch deshalb, um der Stigmatisierung persönlichkeitsgestörter Menschen ein Ende zu setzen. Alles gut und schön. Ja, ich begrüße alles, das dazu beiträgt, dass Menschen deren seelische Gesundheit leidet, nicht mehr mit einem negativen Stempel belegt werden.
Doch was ist mit denjenigen, die unter Narzissten gelitten haben oder noch immer leiden? Was sage ich meinen Klientinnen, die so lange gar nicht wussten, worunter sie leiden? Die nicht wussten, dass es eine Krankheit ist, die den anderen veranlasst, sie so zu behandeln? Die erst dadurch, dass sie ihrem Missbrauch einen Namen geben konnten, anfangen konnten, zu heilen? Ja, so ticken die meisten Menschen nunmal, sie brauchen einen Namen für das, was sie quält. Und den nimmt man ihnen jetzt, um diejenigen, die die Störung haben, zu schützen. Das ist wirklich ganz schön verzwickt und sicherlich eine schwierige Entscheidung gewesen.
Ich für meinen Teil spreche sowieso viel lieber über emotionalen und psychischen Missbrauch – auch mit meinen betroffenen Klientinnen. Dabei ist es mir wichtig, nicht zu verurteilen. Nein, im Gegenteil, zur Heilung solcher Wunden ist es unbedingt nötig zu vergeben. Und das geht nur durch verstehen. Wer andere emotional und psychisch missbraucht, hat selbst Schlimmes erlebt in der Jugend. Niemand sucht sich aus, ein Narzisst zu sein. Und da ist es wieder, das Wort, um das wir trotz allem so schnell wohl nicht drumherum kommen werden.
Wie dem auch sei – Narzisst wie auch Narzissmusopfer gebührt ein respektvoller Umgang mit seiner Persönlichkeit, seinen Wunden und seiner Heilung.
UNFOLD YOURSELF – von der Person zur Persönlichkeit